1. Rundbrief von Laura Norden 26.11.2011
Liebe Freunde, Familie, Bekannte und Unterstützer!
Nach knapp drei Monaten in meiner Einsatzstelle in der Église Reformé in Montpellier für den Freiwilligen Friedensdienst ist es nun soweit, in meinem ersten Rundbrief über mein neues Leben in Frankreich, meine Arbeit, Erlebnisse, Highlights und Erfahrungen zu berichten!
Begonnen hat mein „Einsatzjahr“ mit einer sehr langen und anstrengenden Busfahrt über Nacht, die durch mehrere Stopps und einen ungeplanten Umstieg in Lyon unterbrochen wurde. Übermüdet, aber mit bester Laune sind Caroline, meine deutsche Mitfreiwillige, und ich am Busbahnhof im bereits von der warmen Morgensonne durchtränkten Montpellier angekommen. Wir wurden von Titia, eine der für uns zuständigen Pfarrer(innen) abgeholt und zu unserem Appartement gebracht, welches Caro und ich seit dem 1. September 2011 bewohnen und mittlerweile gemütlich eingerichtet und dekoriert haben. Das Appartement ist ziemlich groß, allein die Küche und das Wohnzimmer sind sehr geräumig. Ansonsten besteht die Wohnung aus einem relativ großen Flur, einem Badezimmer, meinem und Caros Zimmer und einem 3. Zimmer, welches jedoch so gut wie gar nicht benutzt beziehungsweise betreten wird. Nach einigen Fahrten nach Ikea und mehreren Blicken in Trödelmärkte und Sperrmüll ist unser kleines Reich echt schön eingerichtet und wir verfügen nun über mehr als zwei Löffel (als am Anfang) und haben mittlerweile sogar einen Schneebesen.
Das Appartement, die ehemalige Hausmeisterwohnung, liegt mitten im Zentrum Montpelliers, direkt über der Kirche und in direkter Nachbarschaft der Studenten -WG, in der bisher die ehemaligen Freiwilligen untergekommen sind. Für dieses Jahr war aber leider für uns dort kein Platz mehr. Supermärkte, Bäckereien, Wäschereien und Tramstationen sind leicht zu erreichen und bis zum Place de la Comédie, der den Stadtkern und die Anlaufstelle von Montpellier bildet, sind es nur 5 Minuten zu Fuß, die Lage ist also wirklich perfekt! Ich habe mittlerweile sogar fast schon Gefallen daran gefunden, regelmäßig in den Waschsalon zu gehen, da man sich dort jedes Mal mit Musik, einem Buch und Kaffee entspannen kann und etwas Ruhe findet.
Nun zur Stadt an sich: Montpellier hat ca. 250.000 Einwohner und ist eine typische Studentenstadt, die Stadt verfügt allein über drei Universitäten und ist meiner Meinung nach mit den Städten Bonn oder Münster bezüglich des Studentenlebens, Straßenflairs und der Atmosphäre vergleichbar!
Zudem muss man sich Montpellier wirklich als typisch südfranzösische Stadt vorstellen, die reichlich mit kleinen versteckten Gässchen, Häusern und Gebäuden im“ Haussmannstil“, Straßenrestaurants und einer Menge Restaurants und Straßenkaffees bestückt ist. Da allein 60.000 Studenten hier leben, gibt es natürlich allerlei freizeitliche Angebote, das Nachtleben ist relativ ausgeprägt und nicht umsonst verdient Montpellier den Namen „ Stadt der Konzerte und Festivals“. Eine sehr gute Idee war es von mit und Caro, unsere Tramkarte so zu aktivieren, dass wir zudem die Fahrradstationen, die hier reichlich vorhanden sind,mitbenutzen können und somit alles leichter erreichen Wir haben auch schon den Fahrradweg zum Strand ausprobiert, den man mit dem Rad in ca. 1 Stunde bewältigen kann! Zudem lerne ich seit Ende September bei einem Studenten aus der Nachbar- WG Gitarre und habe heute meine erste Yogastunde. Also es fällt schon schwer, sich den Angeboten der der Stadt wirklich entziehen zu wollen. Darüber hinaus gefallen mir der „Riv du Lez“, der hiesige Fluss, und der botanische Garten besonders gut, da man sich dort ebenfalls ganz gut von der lauten und sehr lebendigen Stadt erholen kann. Alles in einem eine tolle Stadt!!!
Wie immer gibt es jedoch auch das übliche „aber“: Es gibt hier relativ viele Obdachlose, das heißt mehr, als ich von Deutschland gewöhnt bin. Aus diesem Grund habe ich für mich im neuen Jahr eine Mitarbeit in der Obdachlosentafel hier vor Ort in Erwägung gezogen. Die Situation der Obdachlosen stellt wirklich ein stark wachsendes Problem für die Stadt dar.
Bezüglich meiner Arbeit und der Aufgaben hier lässt sich einiges sagen:
Meine Einsatzstelle ist die „Église Reformé de Montpellier“, also die reformierte Kirche von Montpellier .Die Pfarrer Joel Dahan, Erik Galia und Rédouane Es-Banti, die die Sektoren Gemeinde-Jugend- und Kinderarbeit und das Radio vertreten, sind hauptverantwortlich für uns deutsche Freiwillige.
Das erste Wochenende haben Caro und ich direkt mit Joel und anderen Gemeindemitgliedern in den Cevennen verbracht, um dort den alljährlichen „Grand Culte“ (riesiger Open-Air Gottesdienst) zu feiern. Hierbei kommen bis zu 5000 Protestanten zusammen, um der Hugenottenverfolgung im 16. Jahrhundert zu gedenken. Zur Erläuterung: Die damaligen Protestanten wurden von der katholischen Kirche verfolgt und verbrannt und sich eine kleine Minderheit in den Wäldern der Cevennen versteckten konnte, um unter den Bäumen weiterhin Gottesdienst zu feiern. Darüber hinaus stellen die Protestanten mit 2% eine deutliche Minderheit in Frankreich dar. Diese „Minderheit“ legt jedoch großen Wert darauf, ihren Glauben und ihre Überzeugung in der Öffentlichkeit darzustellen und zu zelebrieren. Viele Protestanten tragen eine Kette mit dem Hugenottenkreuz, was vielleicht ansatzweise mit dem „Christenfisch“ zu vergleichen ist, den man in Deutschland häufiger als Aufkleber an Autos sieht. Nun aber zurück zu dem Camping in den Cevennen: Ich habe, glaub’ ich, in meinem Leben noch nie so viel Kaffee verkauft, da die Église Reformée de Montpellier für den Getränke-und Kaffeeverkauf verantwortlich war, was mir jedoch sehr gefallen hat bezüglich neuer Bekanntschaften und der Gunst, umsonst Kaffee zu trinken. Alles in allem kann man das Wochenende in den Cevennen als erstes großes Highlight betrachten.
Bezüglich meiner Arbeit bildet die Jugend- und Kinderbetreuung einen Schwerpunkt.
Jeden Mittwoch beschäftige ich zusammen mit Caro 5-11 jährige Kinder des „centre de loisirs“ im oekomenischen Zentrum in Jacou, was mir unglaublich viel Spaß und Freude bereitet. Allerdings ist es auch sehr anstrengend, da die Animation wirklich 10 Stunden in Anspruch nimmt und mittlerweile 16 Kinder regelmäßig kommen. Aus diesem Grund werde ich auch Ende Dezember an einer einwöchigen Fortbildung zur „Animatrice“ teilnehmen, da ab einer bestimmten Anzahl von Kindern mehr als ein(e) ausgebildete (r) Animateur/ euse obligatorisch erforderlich ist. Zudem ist das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, eine wirklich persönliche Bereicherung und zudem sehr motivierend, neue Ideen und Eigeninitiative zu zeigen. Am ersten Tag wurden Caro und ich direkt ins kalte Wasser geworfen und hatten 2 Stunden lang die Aufgabe, Spiele mit den Kindern (nach nicht mal einer Woche in Frankreich!) zu spielen, da die Direktorin des Zentrums Verwaltungsarbeiten zu erledigen hatte. Es war eine Herausforderung , aber machbar.

Jeden Donnerstagabend bin ich bei der „Groupe Étudiant“ (Studentengruppe) anzutreffen, die Erik Galia, der für die Jugendarbeit zuständige Pfarrer hauptamtlich betreut. Hierbei kommen zwsichen 6 bis 16 Studenten zusammen (fast. alle älter als ich), um zu essen (das berühmte répas partagé), zu spielen, singen und Diskussionen zu führen. Da ich bisher keine wirklich Aufgabe hatte, außer die Treffen anzukündigen, den Raum vorzubereiten und Essen mitzubringen, hab ich Erik gefragt, auch mal selber eine Stunde zu moderieren und habe diesen Donnerstag direkt die Möglichkeit dazu. Mal schauen, vielleicht bringe ich auch meine neuen Gitarrenkünste direkt zum Einsatz! Was mir hieran besonders gefällt, ist Diskussionen mit (fast) Gleichaltrigen zu führen und bereits freundschaftliche Beziehungen zu pflegen zu können.

Des Weiteren begleite ich den sogenannten „Catechisme“, der mit dem Konfirmandenunterricht in Deutschland zu vergleichen ist, wobei meine Hauptaufgabe darin besteht, die Jugendlichen mit Spielen und Aufgaben zu beschäftigen. Ich bin gerade erst vom „Konfirmandenwochenende“ wiedergekommen, wobei ich hier mit Caro und 6 anderen Animateuren 46 Jugendliche betreut habe. Mit dem Französisch klappt es mittlerweile viel besser. Reden ist eigentlich kein Problem mehr und Gespräche kann ich mittlerweile ganz gut mitverfolgen .Nebenbei gesagt bin ich nach anfänglicher Abneigung sogar zur Baguetteliebhaberin geworden. A propos Essen! Alle französischen Klischees, die man damit verbindet, bestätigen sich hier total! Folglich bin ich –naturellement- in den regelmäßigen Genuss französischen Weines und etlicher Gesellschaftsspiele gekommen. Auch habe es nun aufgegeben, das „au“ in meinem Namen beim Vorstellen zu betonen, es hat einfach keinen Sinn. Für das Jahr heiße ich ab jetzt „Lôra“.
Wieder zurück zur Arbeit: Die Kirche unterhält eine kleine Radiostation (Radio FM Plus) , welche hauptsächlich durch Spenden finanziert wird. Dort begleite ich zwei Tage die Woche die Technik, nehme Sendungen auf, schneide sie und erledige allerlei Handlangerdienste. Ich hatte bisher auch schon die Möglichkeit, Konferenzen aufzunehmen und mit einem Aufnahmegerät Interviews zu führen, was mir persönlich mehr Spaß macht als die Technik, da ich in dieser Hinsicht wirklich dem weiblichen Klischee entspreche. Objektiv gesehen gibt es aber im Sender für mich als Laie zu wenig zu tun zu tun. Vor allem zu Beginn habe ich mir ständig die Frage gestellt habe, wofür ich hier eigentlich gebraucht werde, Die größte Kreativität besteht für mich darin, mir einigermaßen sinnvolle Beschäftigungen zu suchen im Radiobereich.. Im Januar starte ich einen Erstversuch mit meiner eigenen Sendung „Lettres a Dieu“ die ich moderieren werde. Ich hoffe sehr, dass das klappen wird! Darüber hinaus übernehme ich ab Dezember die Sendung „Billet d’humeur“, wo man die Möglichkeit hat, über ausgewählte Themen zu berichten. Da erst vor zwei Wochen Éric- Emmanuel Schmitt in der Stadt war, um in der „Gallerie Lafayette“ sein neues Buch vorzustellen, habe ich mir gedacht etwas über den Autor selbst, seine Bücher und seine Literatur selbst zu berichten und warum so viele viele Leute Gefallen an dieser finden. Zudem fange ich ebenfalls ab Januar an, in einer Schule zu arbeiten, um dort Kindern mit Migrationshintergrund bei den Deutsch- und Englischaufgaben zu helfen. In dieser Funktion werden Freiwillige –bei Eignung- manchmal mit eingesetzt. Ich möchte diese Art von Arbeit unbedingt machen um vielleicht dadurch einen kleinen Ausgleich zum Radio (nichts für ungut) zu finden! Wie in jeder anderen Gemeinde werden immer wieder eine kleine Betreuungs- und Beschäftigungsangebote für Gemeindetage, etc angefragt. Zudem sind wir als deutsche Freiwillige immer wieder zu Gemeindeessen und -abenden eingeladen. Jeden zweiten Donnerstag begleite ich den „Culte Pause“ ,einen Gottesdienst oder vielmehr ein Zusammentreffen von Leuten, bei dem zusammen gesungen, gebetet und diskutiert wird um dem „Alltag“ zu entfliehen, sich auszutauschen und eine „Pause“ zu finden. Nicht zu vergessen ist das“ l’entre2Kiff „, eine Zusammenkunft von 300 Jugendlichen aus den 3 Regionen im Süden Frankreichs, um ein Wochenende in einem alten Internat zu verbringen, sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Musik zu machen. Wirklich ein tolles Wochenende!
Wie ihr seht, ist meine Arbeit sehr abwechslungsreich und bereitet mir unglaublich viel Spaß. Das liegt nicht nur an der Arbeit selbst sondern auch an dem mir entgegengebrachten Vertrauen und natürlich meinen fortschreitenden Französischkenntnissen.
Alles in Allem geht es mir hier ausgesprochen gut. Ich habe mich eingelebt und bin wirklich froh, diese Einsatzstelle im Projekt und in einer der schönsten Städte Frankreichs angenommen zu haben. Jeden Tag entdecke ich neue Sachen, die mir viel Spaß bereiten.
Ich bin überzeugt, dass ich noch ein tolles Jahr vor mir habe, mit vielerlei Erfahrungen, einer Skifreizeit im Februar und der bevorstehenden „stage“ (Fortbildung) die mir bevorsteht.
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Ich danke hierbei natürlich vor allem meiner Familie, meinen Freunden, den Unterstützern und natürlich der EKiR für die Möglichkeit in Montpellier einen Friedensdienst leisten zu können.
A bientôt!
Eure Laura
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